“Handlungen geschehen, doch es gibt kein Individuum, das sie ausführt.”
Gautama Siddhartha – The Buddha

(Essay von Hans Steinke zum Titelthema der einfach JA 10-11/2014 – „Verantwortungsvolles Handeln“)

So paradox es auch vielleicht klingen mag: „Es gibt keinen Handelnden.“ Es gibt nur Handlungen oder Aktionen. Dieses Erkennen und die Mitteilung dessen, sind seit Jahrtausenden bekannt und scheinen immer wieder unter den Tisch gekehrt zu werden. Es ist einfach die Wahrheit. Die Personifizierung dieses Organismus als ICH ist ein Produkt des Denkens und dessen Inhalte, die (Ich-) Geschichte, wird als die scheinbar existierende Person darin gesehen.
Daran ist nichts falsch oder auch nichts richtig, es ist einfach als ‚Verstand’ so programmiert … und nicht wahr. Dieser Glaube und Unwissenheit sind die Version des Denkens über das, was in Wirklichkeit die ganze Zeit einfach nur geschieht.
Das Wesentliche zu sehen ist also: Die Person und die persönliche Welt ist eine Illusion … wir als eine Person existieren nicht wirklich über die Vorstellung oder Idee dessen hinaus.

Diese gedankliche Vorstellungswelt wird fälschlicherweise seit frühester Kindheit über das natürliche Erleben unseres Hier-Seins gelegt … und somit sehen und erleben wir uns, spätestens nach den ersten 30 Lebensjahren disziplinierender Lehrzeit dessen, scheinbar als vollständig getrennt agierende Körper-Verstand-Organismen (Mensch genannt). Wir glauben, dass wir selbstverantwortliche und scheinbar        frei-willig handelnde Personen/ Individuen auf diesem Planeten sind. Mit dieser Idee von uns selbst erscheinen wir dann als etwas Besonderes und vom ganzen Geschehen Abgehobenes.
Was das Leben selbst allerdings als Ganzes betrifft, ist es ein fatales gigantisches gedankliches Missverständnis des Intellekts über das Leben und über uns selbst als diese Form darin.

Wir, als diese scheinbar existierenden Personen, sind also nicht das, was das Leben bewegt (handelt), sondern wir werden vom Leben selbst bewegt. Alle Handlung geschieht gleichzeitig immer jetzt (ohne Trennung) als natürliche gemeinsame Balance des Einen augenblicklichen Bewusstseins – und das in unzähligen, sich nicht wiederholenden, einmaligen Formen.
Es passiert ganz einfach alles schon immer genau so, wie es passieren soll, nur nicht so wie „wir denken gelernt haben zu glauben“.
Das Leben geschieht nicht durch uns, sondern ohne uns.

Es geschieht.

Es geschieht durch diesen Körper-Verstand-Organismus, ja – und zwar durch alle anderen Wesen als ein gemeinsamer und ungetrennter augenblicklicher Vorgang. Es wird nicht von dir als scheinbare Person gemacht, sondern wie alle anderen Kreaturen (Tiere, Vögel, Fische, Gräser und Bäume und Luft und Wasser und Wind usw.) sind wir der Ausdruck dieses alltäglichen ungetrennten Zusammenspiels des Ganzen.
Du kannst es auch das Lebensspiel nennen … aber es ist als Ganzes nicht vom denkenden Verstand zu verstehen. Das Leben selbst ist genau so, wie es ist, und kann deshalb nicht anders sein, ob DU als ICH das jetzt so willst oder nicht. Es ist so, wie morgens Aufwachen geschieht und in der Nacht Einschlafen. So wie der erste Atemzug das Einatmen ist – und der letzte Ausatmen. Es ist der sogenannte natürliche Ablauf des Seins – das Tao. Der natürliche Ablauf des Universums mit dir (momentan) als Organismus darin ablaufend.

Das Drama taucht dadurch auf und besteht darin, dass ausnahmsweise in diesem sogenannten menschlichen Organismus etwas geschieht, das wir Denken nennen. Daran ist um „Gotteswillen“ nichts falsch. Aber diese begrenzt denkende Sicht auf das Leben als Ganzes ist an einem Punkt der Evolution angelangt, dass es als vorrangige Ausrichtung des Sehens sein Ende hat bzw. ausgedient hat.
Es liegt doch wohl absolut auf der Hand, dass diese scheinbar persönliche Handlungsfähigkeit auf diesem Planeten, jeglicher, verantwortlicher Weitsicht entbehrt, bzw. einfach überfordert ist.
Um diese (wohl desillusionierende) Einsicht geht es in der weitsichtigen und gründlich durchschauten Aussage Buddhas. Es ist ein natürlicher Blick auf das Ganze. Er ist Ausdruck unseres einfachen, wirklich natürlichen Wissens (Weisheit) und gegenwärtigen intuitiven Sehens, was uns selbst als ungetrennte Wesen zusammen lebend mit allen anderen Lebewesen ausmacht.

Es ist die Liebe selbst, die selbstverständliche Achtsamkeit und tiefstes Einfühlungsvermögen in die Natur der Natur des Lebens selbst. Wir sind ein verbundener Fluss des Einen, als dieses Eine in körperlicher Form. Ein Geschenk „des Himmels“. Unbegrenzt. Nichts fehlt, nichts kommt dazu – alles ist perfekt in sich selbst jeden Moment getragen und in absolutem Gleichgewicht. Und ALLES ist wirklich gleich-gültig dieses EINE.
Kein Richter, kein Urteil, keine Schuld – kein persönlich Handelnder – kein Individuum.

Nur göttlicher Fluss des Einen – immerzu und Jetzt. Nichts geschieht gestern oder morgen (außer in der Traumwelt der Gedanken). Es kommt nicht darauf an, ob es nun scheinbar durch einen kleinen oder großen EGOMacher angenommen geschieht, sondern dass der Handelnde, die Person, das Ego oder Du, eine Illusion ist. Die Illusion.

Diese persönliche Welt ist der leidvolle hypnotische Zustand der Vorstellungskraft des denkenden Verstandes, der Wachtraum – und die Wurzel allen Übels. Als Phantasie oder als Schein und Ersatzwelt erkannt, ist sie bereits das, was sie ist: Eine brillant gigantische, planetar ablaufende Geschichte und weiterhin der Ausdruck des Einen Lebensspiels – ihr Spiel.
DAS IST ES.
Jetzt.

Hans Steinke

Essen im September 2014

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