Frage: Ist denken ansteckend?

Hans Steinke im Dialog mit Anja Berndt

SatZen – Forum für Innere Arbeit l Essen
Dialoge unter Freunden l Leipzig l Januar 2010

Hans: Hallo, Herzlich Willkommen! Guten Morgen!
-kurze Stille-

Bitte – wer möchte sich mitteilen oder eine Frage stellen? Ja, komm nach Vorne und nehme Platz.
Anja:
Ich will mal erzählen, wie es mir letzte Nacht gegangen ist. Ich hab so viel gedacht, oh Gott, und heute Morgen, das war einfach der Wahnsinn … -lacht-
H:
Genau, in der Beschäftigung mit den Gedanken, dem Nachdenken, ist kein Platz für irgendetwas anderes. Das ist das, was ich Überlagerung nenne. Wenn das Bewusstsein von dieser gedanklichen Aktivität vollkommen vereinnahmt und überlagert wird. Wir nennen das auch Identifikation mit den Ich-Gedanken.
A:
Ich konnte aber trotzdem eine Frage herauskristallisieren, die ich dir stellen wollte.
H:
Gut – das ist sogar sehr erfreulich.
A: Und zwar: Ist denken ansteckend?
-allgemeines lachen-
H:
-lacht- Ja, inzwischen würde ich sagen, nach jahrelanger Beobachtung dieses Phänomens, ja, absolut, es ist eine Krankheit; und zwar eine globale Krankheit, es ist eigentlich “die” globale Epidemie schlechthin. Die Beschäftigung mit dem Denken ist die planetare Epidemie. Ja! Das ist die eigentliche Schweinegrippe oder auch der Rinderwahn.
-lachen-

… und die einzige Pille die es dafür gibt, ist Bewusstsein; ist die Entdeckung des Bewusstseins selbst.
A: Ja … und ich habe mich in den letzten Wochen damit beschäftigt, wie ich mich davor schützen kann.
H:
Ja, genau, das ist es, was diese Sucht braucht, dass du dich damit beschäftigst – das ist der Erreger der es weiter überträgt. Und du siehst, die Krankenkassen gehen dabei Pleite.
-lachen-
Ja! Es ist eine nicht endende Krankheit und der Erreger ist die Beschäftigung damit, z.B. sich davor zu schützen, es weghaben zu wollen, sich damit zu beschäftigen die gedanklichen Strukturen zu verändern … statt grün es blau zu streichen oder dann rot zu streichen, positiv zu denken anstatt negativ … Ja!? … oder es letztendlich dann ganz professionell mit allen möglichen HEIL-Methoden heilen zu wollen, weil niemand wirklich mit dem Unheil einverstanden ist.
A:
… es ist so fürchterlich anstrengend.
H:
Ja, ganz genau – es ist nur anstrengend, ja! Es ist die Anstrengung schlechthin. Und das ist für diesen Organismus einfach schädigend, unnatürlich und auf die Dauer wirkt sich das kränkend aus und zwar organisch, körperlich, energetisch, seelisch – also ganzheitlich.
H:
Und, hast du eine Antwort auf deine Frage gefunden?
A: Noch nicht ganz.
H:
Aha – gute Antwort … also … ganz kann nur ganz sein, nicht. So, nun schau jetzt ganz genau hin – jetzt. Was fehlt noch?
A:
Da ist noch diese Trennung.
H:
Aha, gut. Nehme sie einfach jetzt einmal an! Hör einfach einmal damit auf, die Trennung immer von dir abzutrennen. Nehm’ es einfach mal als Ganzes an! Wie immer das jetzt bei dir ist, ist nicht so wesentlich. Nehm’ es einfach an – beobachte DIE TRENNUNG.
Das ist wesentlich jetzt … -stille Pause- … und geschieht was dann … -stille Pause- … wirst du jetzt sehen. Jetzt, schau … schau genau hin …

Ist es nicht so, das einfach Betrachtung, Beobachtung stattfindet …Bewusstsein aktiv ist … es findet einfach Wahrnehmung statt, ohne ein persönliches zutun … ist das nicht so?! Warum das so ist und wieso und weshalb … bitte frag mich danach nicht! Es ist einfach so … oder?! Was geschieht also dann, wenn du das was du Trennung nennst, annimmst?
Da ist noch Trennung, sagtest du” … und darin liegt doch die Idee, es müsste weg!? Warum sollte sie weg sein … lass sie einmal als ungetrennter Bestandteil des augenblicklichen Betrachtens bestehen?

Was geschieht jetzt, wenn du das hörst?
A:
Da ist noch Denken. Ja, es denkt noch.
H:
Gut, genau … warum sollte es jetzt aufhören?! Lass es denken! Stell dir mal vor, du würdest jetzt sagen: Mein Körper atmet noch und deine Vorstellung von Existenz beinhaltet, dass du das anhalten musst … und du das jetzt aufhören kannst. Siehst du den Unsinn. Denken ist genau so ein körper-energetischer Vorgang wie atmen. Lass es doch einfach denken, so wie es atmet im körperlichen System denkt es im Körper-Verstand, als Bestandteil des Organismus’. Das ist ein ganz natürlicher Prozess. Und es ist doch ganz offensichtlich, wenn du genau hinschaust in diesem Augenblick, dass nicht du in Wirklichkeit denkst. Dieser Idee haben wir alle gelernt zu glauben und dann drüber gestülpt, als unsere persönliche Identität. Das ist die falsche Lehre. Na ja (!) – nicht wirklich falsch – aber unwissend. Das ist Unwissenheit.
Du atmest doch nicht, es ist der Körper, dieser Organismus, und genau so bist es nicht, der denkt.
Es denkt … und es atmet. Gedanken kommen und Gedanken gehen.
Aber dadurch, dass das Bewusstsein ständig darauf ausgerichtet ist, bekommt es natürlich ständig unglaublich viel Futter und Energie. Ja!? So als gäbe es nichts anderes, als das, was in diesen Gedanken stattfindet.
Die Gedanken, die transportieren doch Inhalte. Ja!? Lass es mal jetzt einfach denken! Lass das Denken doch mal denken!
A:
Dann ist es nicht mehr so bedrohlich.
H:
Na bitte schön, das ist die erste Wahrnehmung die auftaucht, wenn du das denken nicht weghaben willst. Die scheinbare Bedrohung ist gar nicht wirklich bedrohend. Die Bedrohung ist nur ein gedankliches Phantasiegebilde, ein gedanklicher Inhalt des Denkens, was dazu führt, das du dich weiterhin mit dem Denken und dessen Inhalte beschäftigst. Die Bedrohung ist also nicht wirklich real … und dann ist auch jegliche Aktivität und Initiative, sich zu schützen, unbedeutend. Also alle Handlungsversuche, wie etwas daran verändern wollen und z.B. auch Schutz, sind bedeutungslos. Denken ist eine unpersönliche energetische Aktivität. Und was bleibt dann über?
A:
into nothing.
H
: Aaah  –  Wunderbar  –  Genau! Das ist es …

 

H: Was wirklich ist, ist das, was du jetzt beginnst zu merken und jetzt von Bewusstsein berührt wird: Nichts. In Wirklichkeit ist und geschieht nichts. Und wie ist das? -Stille-
A:
Das ist ohne Anspannung … es ist jetzt mühelos anwesend zu sein … und Freude steigt auf  … ich sehe wieder deutlich und ungetrübt.
H:
Spürst du und ihr was dann hier energetisch geschieht, wie sich der Raum, der innere Space, die Qualität des Augenblicks wandelt?
A:
Stille. Es ist still.
H:
Stille, genau. Dann geschieht das, was wirklich ist: Stille. Und Stille ist ein Hinweis auf das wirklich Ursprüngliche … Anne, ja!? … auf reines Bewusstsein … und, was siehst du?
A:
Es ist alles gleichzeitig  –  es fehlt nichts … ich bin erstaunt, ich sehe jetzt fühlend … ich möchte sagen, mit dem Herzen.
H:
Ja, genau … und da kannst du nicht mit schludern und das ist nicht mit diesem Wochenende getan. Es ist absolut wesentlich, dass es totalen Einzug in deinen Alltag erhält.  -kurze Stille-
H:
Wohlgemerkt, es geht hier nicht um ein: “Wie ich frei werde”, sondern um “Frei sein” … und Freisein ist ein Hinweis auf JETZT … und keine zukünftige persönliche Errungenschaft.
-kurze Stille-

Ja, Anne … schau dich um … schau …


Anja
ist in stiller Betrachtung versunken und flüstert ganz mit sich zu allen: “Ooh, das ist Jetzt wirklich sehr schön.”
Hans:
Ja … so ist das JETZT!

 

(Copyright by Hans Steinke – all rights reserved)

Hans Steinke – Januar 2010

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