Die Angst, dass da Niemand ist – und das Alleinsein unerträglich erscheint.
Email von Elena Ley

Beloved Hans,

gerade bin ich wieder sehr in Berührung mit dem letztlich Erlebten in unserem SatZen-Mysterium im Fläminger Refugium. Mir fließen die Tränen genauso wie dort und ich bekomme eine Ahnung davon was da eigentlich geschehen ist.
Es ist das Gefühl der Angst, dass da Niemand ist … und das Alleinsein unerträglich erscheint. Die Tränen sind auch Tränen des Schmerzes, dass da Keiner ist, der (die Liebe) empfangen kann und Keiner da ist, der (die Liebe) geben kann und dennoch ist Schmerz und Liebe da.
Im Ardéche-Meditations-Retreat im Sommer gab es eine Phase wo Alles und Alle weg waren … es war ein Schock. Ich zählte mir verzweifelt auf, mit wem ich zuhause in Liebe verbunden bin – meinen Söhnen, meiner Mutter und dem Bruder, weil alle anderen vertrauten Menschen mir so fern erschienen …
Von dir abgesehen. Dir, dem ich so unendlich dankbar bin, dass er da ist. Ich schätze so sehr das Glück, dass du in der Nähe wartest und Halt und Liebe gibst, wenn sie empfangen werden kann.
Nie konnte ich es in meinem Leben aussprechen: „Ich liebe Dich“.
Doch jetzt ist es möglich, weil es eine andere, eine neue Dimension bekommen hat. Eine Dimension – die eines Versprechens nicht bedarf, welches ein ICH sowieso nicht einhalten kann – die eine Weite bekommen hat, die jenseits von Versagen und Bedingungen liegt … die nur My Versprechen braucht: Diesem Moment ehrlich zu begegnen.
Ach was – nicht einmal das … und dieses Versprechen „gab ich mir selbst“.

Ich liebe dich, “Hans”.
Elena

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Liebe Elena,

mit sehr großer Freude habe ich deine Email gestern Nacht gelesen.

Aus derselben Ehrlichkeit heraus verspüre ich jetzt den Wunsch, deine tiefe Einsicht in die große Angst des Alleinseins zu veröffentlichen.
Ich empfinde es als äußerst wesentlich, dieses Erkennen als Niemand wahrzunehmen, diese Auflösung der Identifikation mit dem Ich-Gedanken zu erleben. Ich bin in absoluten Respekt mit diesem großen und mutigen Prozess in dir, diese tiefe Furcht davor preiszugeben und gleichzeitig zu erleben darin standhaft sein zu können, es auszuhalten und darin betrachtend zu verweilen.
Ja, das ist erst einmal ein Schock, ja, das ist wahr – doch es muss im Bewusstsein auftauchen um es wirklich kennenzulernen und es erkunden zu können … und du beginnst zu sehen: es ist möglich.

Das ist das, was ich den gegenwärtigen Blickwinkel nenne.

Die Angst, dass Niemand da ist, ist allerdings nur für die Person relevant. Sie glaubt, Jemand zu sein, der sich dann verlieren könnte.
Wie kann „Etwas“ das nicht existiert, sich verlieren?
Vergessen oder verlassen worden sein, ist nicht Alleinsein – ganz genau so ist es. Verloren sein oder versagen sind die Spiele gedanklicher Konstrukte. Sicherlich sind gedankliche Konstrukte real  –  mehr aber auch nun wirklich nicht, wirklich nicht!

All-ein-sein ist das was du wirklich bist.

 

Sei umarmt und eine gute Nacht.
Hans

Essen im November 2011

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